Der Eisenbahnanschluss, ein Postamt sowie der Ausbau der Straßenverbindung zu den Nachbarorten leiteten einen neuen Aufschwung der Gemeinde ein, der bis zum Ersten Weltkrieg anhielt. Das örtliche Handwerk blühte auf, und die ersten Industriebetriebe siedelten sich an. Mit dem Bahnanschluss verbesserten sich auch die Absatzchancen der Landwirtschaft und der neu errichteten Gärtnereibetriebe. Die Zahl der Arbeiter, die im Stuttgarter Wirtschaftsraum und in Ludwigsburg Beschäftigung fanden, war in ständigem Ansteigen begriffen. Auch gewann das Dorf auf auswärtige Wohnungssuchende eine zunehmende Anziehungskraft. Die Gemeinde trug zeitgemäßen Bedürfnissen Rechnung. Im Jahr 1907 bekam das Dorf eine moderne Wasserleitung, nachdem es bereits im Vorjahr an die elektrische Stromversorgung angeschlossen worden war.
Die chronische Schulraumnot konnte 1913 durch einen großzügigen Schulhausneubau an der Bissinger Straße behoben werden.
Der Erste Weltkrieg (1914-1918) erlegte der Gemeinde mit 55 Gefallenen hohe Blutopfer auf. Die Niederlage von 1918, die schwierigen Nachkriegsjahre, die mit dem Amoklauf der Inflation im Jahr 1923 ihren Gipfelpunkt erreichten, drückten auch Tamm ihren Stempel auf.
Die begonnene Flurbereinigung konnte 1910 nur zögernd wieder aufgenommen werden. Nach kurzer wirtschaftlicher Erholung brach mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 neues Unheil herein. Tamm schnellte wie anderwärts die Zahl der Arbeitslosen sprunghaft nach oben.
Im Jahr 1933 gelang es der rechtsradikalen Nationalsozialistischen Bewegung, sich in den Besitz der Regierungsgewalt in Deutschland zu setzen. In Tamm hatten die Vertreter der Hitler-Partei jetzt gleichsfalls das Sagen. Bürgermeister Karl Mammele, der sich gegenüber der NS-Bewegung nicht willfähig genug zeigte, hatte einen schweren Stand. Er war im September 1935 schließlich gezwungen, seine vorzeitige Pensonierung zu beantragen.Unmittelbar nach seiner Zurruhesetzung nahm sich der Verzweifelte das Leben. Der vom Hitler-Regime entfesselte Kirchenkampf machte selbst vor einer Landgemeinde wie Tamm nicht halt. Pfarrer und kirchliche Kreise mußten sich immer wieder von Parteifunktionären Schikanen und Demütigungen gefallen lassen, zumal die den christlichen Glauben im Sinne der NS-Ideologie verfälschende Deutschen Christen hier keinen Boden zu gewinnen vermochten.
Auf den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 1.September 1939 reagierte die Bevölkerung mit Bestürzung und Trauer. Die Opfer und Schrecken des Ersten Weltkriegs waren noch in allgemeiner Errinerung. Tamm erlebte bereits am 12./13.Oktober 1941 seinen ersten Luftangriff. Mehrere Häuser wurden getroffen, ein landwirtschaftliches Anwesen eingeäschert.
In den Jahren 1943 und 1944 fielen zahlreiche spreng- und Brandbomben auf Tammer Gemarkung. Doch hatte das Dorf unwahrscheinliches Glück : Die Bomben gingen fast ausnahmslos auf freiem Feld nieder und verursachten dadurch nur geringe Schäden. Im April 1945 wurde unsere Heimat Kriegsschauplatz. In Bietigheim standen sich zwölf Tage deutsche und französische Truppen gegenüber. Tamm war während dieser Tage wiederholt das Ziel feindlicher Artillerieüberfälle, bei denen mehrere Einwohner und hier befindliche deutsche Soldaten getötet oder verwundet, etliche Gebäude zerstört oder schwer beschädigt wurden. In der Nacht vom 21. auf den 22.April 1945 ergriffen französische Kriegsgefangene Besitz vom Rathaus und übernahmen für mehrere Tage in der Gemeinde die vollziehende Gewalt. Im Juli 1945 ging Tamm mit 19 anderen Gemeinden des westlichen Ludwigsburger Kreisgebiets von der französischen an die amerikanische Besatzungsmacht über. Im Zweiten Weltkrieg hatte Tamm an der Front und in der Heimat 75 Menschenleben zu beklagen.
Die ersten Nachkriegsjahre waren für die Gemeinde sehr schwer. Dazu einige Stichworte : Lebensmittel- und Brennstoffmangel, Wohnungsnot, Aufnahme mehrerer hundert Heimatvertriebener, Sorge um die in Kriegs-gefangenschaft befindlichen Männer, deren Rückkehr sich über drei, vier Jahre hinzog, banges Hoffen auf ein Lebenszeichen von den zahlreichen Vermißten, die dann in den fünfziger Jahren fast alle für tot erklärt werden mußten. Die Währungsreform vom Juni 1948 erfüllte die Menschen mit neuer Zuversicht. die Industrie kam wieder in Gang, die Bauwirtschaft belebte sich. Bis 1961 wuchs die Bevölkerung auf 3905 Personen an.
In der Nachkriegszeit wandelte sich die konfessionelle Struktur Tamms grundlegend. Infolge des Zustroms von Heimatvertriebenen bildete sich neben der evangelischen Kirchengemeinde eine ansehnliche katholischeSchwestergemeinde. 1970 bekannten sich knapp 30% der Einwohnerschaft zur römisch-katholischen Konfession. Die katholische Seelsorgestelle Tamm wurde 1974 in eine eigenständige Pfarrei umgewandelt, die in der 1969 geweihten St.Petruskirche ihren Mittelpunkt erhielt. Zwischen beiden Konfessionen bestand von Anfang an ein gutes Verhältnis. Im Herbst 1990 konnte das Ökomenische Gemeindezentrum Hohenstange seiner Bestimmung übergeben werden. Die Weihe der beiden Kirchen des Zentrums erfolgte am 4.November jenes Jahres. Die seit 1949 hier bestehende Neuapostolische Gemeinde bezog 1984 im Länderrain ihr neues Gotteshaus.
Die Gemeinde erschloß in den fünfziger und sechziger Jahren ausgedehnte Neubaugebiete, so vor allem nördlich und östlich des alten Ortskerns sowie nördlich der Baulinie. Anfang der siebziger Jahre gab der Gemeinderat grünes Licht für das Wohnungsiedlungsprojekt der Neuen Heimat Baden-Württemberg auf der Hohenstange. Durch die Vergrößerung der bestehenden Industriebetriebe sowie durch die Ansiedlung neuer Gewerbe- und Handelsunternehmen wurden viele neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Gemeinde unternahm große Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Infrastruktur. Sie erstellte einen Schulgebäudekomplex für Grund-, Haupt- und Realschule, baute moderne Kindergärten, ein neues Rathaus usw., verbesserte und erweiterte das Straßennetz, führte die Ortskanalisierung durch, ebenso die Sanierung des alten Dorfzentrums.